Jüdische Gemeinde „Wiedergeburt“ des Landkreises Oberhavel e.V.

Die ersten Juden kamen 1997 wieder in den Landkreis Oberhavel. Am 15. Mai 2000 haben 28 jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion im Gebäude der Evangelischen Kirchengemeinde Sankt Nicolai an der Lehnitzstr. 32 eine neue Jüdische Gemeinde mit dem Namen „Wiedergeburt“ gegründet, die an die lange Tradition jüdischen Lebens in Oranienburg und im Landkreis Oberhavel anknüpfen und zu seiner Renaissance beitragen sollte.

55 Jahre nach dem Ende des II. Weltkrieges, 55 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Sachsenhausen und 65 Jahre nach fehlenden und verwaisten jüdischen Lebens, begann sich wieder zaghaft jüdisches Leben in der Region und insbesondere in der Stadt Oranienburg durch die Gründung der Jüdischen Gemeinde am 15.5.2000 zu regen.

Gedenkveranstaltung der Jüdischen Gemeinde „Wiedergeburt“ am 27. Januar 2020 an der Gedenkstätte der ehemaligen Synagoge. Foto: Jüdische Gemeinde

Die Gemeinde hat heute 186 Mitglieder. Diese leben verteilt auf die Städte Oranienburg, Hennigsdorf, Gliniecke und Hohen Neuendorf im Landkreis Oberhavel sowie in Berlin. 95% aller Mitglieder der Gemeinde stammen aus der ehemaligen Sowjetunion oder haben Migrationshintergrundwurzel. Ca. 30 % der Mitglieder sind Jugendliche bis 25 Jahre alt.

Noch immer ist vielen Oranienburgern und Oranienburgerinnen die historische Verwurzelung jüdischen Lebens in der Geschichte ihrer Stadt, die Vertreibung der Juden aus Oranienburg nach 1933 und die „Wiedergeburt“ der Jüdischen Gemeinde nicht bekannt. Wir erachten das Wissen um diese historische Entwicklung jedoch als wesentliche Voraussetzung für gegenseitige Akzeptanz und Toleranz. Darum streben wir eine stärkere Außenwirkung an – weg vom Repräsentationsgedanken, hin zur aktiven Mitgestaltung. Langfristiges Ziel ist es, die Jüdische Gemeinde einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen und neue Kooperationspartner zu finden, um einer möglichen Isolation unserer Gemeinde und ihrer Mitglieder rechtzeitig vorzubeugen. 

Die heutige Jüdische Gemeinde wendet sich gegen jede Form von Antisemitismus, Rassenhass, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit und Diskriminierung von Andersdenkenden. So wirkt die Gemeinde auch praktisch in der Region an verschiedenen Projekten mit. (z. Bsp.: Teilnahme im Wettbewerb „Toleranzpreis Oranienburg“, „Franz- Bobzien- Preis“, „Bürgerstiftung Oranienburg“, „Integrationspreis“, Zusammenarbeit mit dem Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt, Arbeitsgruppe „Tolerantes Oranienburg“ und Arbeitsgruppe „Integration“, Teilnahme an der FestiWahl der Kulturen und Demokratie Meile, Teilnahme am Projekt „Stolpersteine für Oranienburg“, Teilnahme im Projekt „ Der Garten des Buches – jüdisch-christlich-muslimisch“ in Kloster Lindow, Zusammenarbeit mit Diplomhistoriker Herrn Hans Biereigel, auch Stiftung „Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen“, Teilnahme an der Toleranzkonferenz, Ausstellungen „Synagogen in Brandenburg“ und „Jüdisches Leid in Oranienburg 1933-1945“, zahlreiche Projekte mit Schülern aus Oranienburg, Hennigsdorf und Zehdenick durchzuführen und vieles mehr).

Broschüren und Informationsmaterialien der Jüdischen Gemeinde des Landkreises Oberhavel und des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden des Landes Brandenburg. Foto: Jüdische Gemeinde

Zum Zweck einer geregelten Arbeit und der Durchführung verschiedener Kurse als auch Projekte, wurde der Jüdischen Gemeinde das Gebäude in der Sachsenhausener Str. 2 vom Landkreis Oberhavel im Jahre 2003 freundlicherweise zur Verfügung gestellt, hier wurde das Religions-, Freizeit- und Integrationszentrums für jüdische Einwanderer des Landkreises Oberhavel in Oranienburg eröffnet. Leider sollten wir wegen der Sanierung das Haus im Mai 2017 verlassen, und momentan haben wir nur provisorische Räume.

Im Ende 2020 haben wir ein neues Haus für das Gemeinde- und Religiöses Zentrum in der Mitte von Oranienburg erworben. Nach dem Umbau und der Sanierung des Hauses planen wir unseren Umzug dorthin im Oktober 2022.

Der Schwerpunkt der Arbeit der Jüdischen Gemeinde sind Tätigkeiten mit direktem Bezug auf Religion. Die Ausübung des jüdischen Glaubens, die Vermittlung von Tradition und die Geschichte des Judentums stehen dabei im Vordergrund. Neben dem Schabbat, dem höchsten aller Feiertage, gibt es im jüdischen Jahr eine Reihe weiterer Feiertage und Feste, die von der Jüdischen Gemeinde zusammen mit dem Mitglied der Gemeinde, Rabbiner Alexander Kahanovsky, durchgeführt werden.

Daneben bemühen sich die Mitglieder der Gemeinde um die Integration der Zuwanderer, sowie um die Stärkung ihrer jüdischen Identität, auch im kulturellen Bereich. Wir legten deshalb von Anbeginn großen Wert auf die Vermittlung der deutschen Sprache, als wichtigstes Mittel zur Integration. Seit vielen Jahren bieten wir daher in der Gemeinde Deutschkurse an.

Das Hauptziel des Integrationszentrums ist es, den jüdischen Zuwanderern praktische Hilfe bei der Lösung alltäglicher Probleme zu gewährleisten. Die meiste Hilfe wird beim Umgang mit bürokratischen Herausforderungen benötigt, d.h. beim Ausfüllen von Formularen, verschiedenen Anträgen und ähnliches. Darüber hinaus finden Begleitungen bei Behördengängen, Arztbesuchen und Besuchen bei Krankenhausaufenthalten wie auch Telefonaten statt.

Die Kindertanzgruppe der Jüdischen Gemeinde „Wiedergeburt“. Foto: Jüdische Gemeinde

Neben dieser Arbeit bieten wir noch folgenden Aktivitäten regelmäßig an:

  • Kunstunterricht für Kinder, Jugendliche und Erwachsene,
  • Tanzunterricht für Kinder und Jugendliche
  • Seniorenklub
  • Treffpunkt für Überlebenden des Holocaust
  • Frauenklub
  • gut ausgestattete Bibliothek und Videothek
  • literarische und musikalische Abende beleben das kulturelle Angebot der Stadt.
  • Zum besseren Kennenlernen Deutschlands, seiner Geschichte, Kultur und Traditionen führen wir jährlich verschiedene Exkursionen in die nähere und fernere Umgebung und auch in andere Länder der Europäischen Union durch.
  • Durchführung von jüdisch-musikalischen Veranstaltungen im Rahmen des Kulturangebotes des Zentralrates der Juden in Deutschland in der Orangerie.
  • Teilnahme unserer Kinder und Jugendlichen an den Ferienlagern der ZWST (Machanot), dem Jugendkongress und dem vom Zentralrat der Juden in Deutschland durchgeführten Musikwettbewerb „Jewrovision“.
  • Projekt „Gemeindeakutprogramm: Miteinander – für Einander. Interessenbekundung“,
  • Projekt „Fluchtpatenschaften und Chancenpatenschaften“ im Rahmen des Programms „Menschen stärken Menschen“,
  • Bikur Cholim,
  • Zusammenarbeit mit dem Seniorenbeirat der Stadt Oranienburg,
  • Pflege des Jüdischen Friedhofs

Wir freuen uns, dass wir freundschaftliche Beziehungen mit den verschiedenen religiösen Konfessionen aus Oranienburg, Schwante und Lindow aufgebaut haben.

Unsere Gemeinde ist Preisträger der Förderpreise „Startkapital für Kirchen-Fördervereine“, von der Bürgerstiftung Oranienburg.

Wir werten es als ein herausragendes Ereignis, dass erstmals nach dem Holocaust am 18. Juni 2012 zwischen der Stadtverwaltung Oranienburg und der Jüdischen Gemeinde eine „Gemeinsame Vereinbarung“ über die weitere Entwicklung jüdischen Lebens in der Stadt Oranienburg abgeschlossen werden konnte.

Trotz aller Erfolge haben wir noch viel zu tun, und ich hoffe, dass wir alles mit der Hilfe der Stadt, des Landkreises Oberhavel und anderer Organisationen erfolgreich schaffen. Wir haben alles dazu: Kräfte, gegenseitiges Verständnis von den entsprechenden Einrichtungen, Wünsche unserer Mitglieder und Hoffnung.

Text: Elena Miropolskaja, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde „Wiedergeburt“ des Landkreises Oberhavel